Zwei Themen, die sich wunderbar ergänzen: Beziehungs-Coach Carolyn Litzbarski und Coach für Sichtbarkeit Anita Raidl griffen mit ihren verschiedenen Perspektiven sehr gut ineinander. Starke Beziehungen und Vielfalt sind die Stichworte zu den beiden Impulsen.
Teil 1: Starke Beziehungen
Mit Tierfiguren zur Erkenntnis über Wechselwirkungen – Carolyn Litzbarski schickte uns im ersten Teil des Abends zum Start in ein vorbereitetes Online-Whiteboard. Sie hatte bunte Tier-Silhouetten vorbereitet, aus denen sich jede ein persönliches Tier wählte.
Wechselwirkungen spüren
Dann wurde es spannend! Zunächst verteilten wir unsere Tierfiguren auf dem Board. Als Nächstes spähten wir jeweils zwei weitere Tiere aus, mit denen unsere persönliche Tierfigur ein gleichschenkliges Dreieck bilden sollte. Dazu durften wir lediglich unsere gewählte Silhouette bewegen.
Klingt auf den ersten Klick einfach. Nur „gehörten“ ja die beiden anderen Figuren zwei anderen Webgrrls. Und die versuchten ihrerseits, ihre Tiersymbole mit zwei anderen ins Dreieck zu bringen. Jede Menge Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen entstanden, die stark zu spüren waren.
Leben in Balance
Wie im Spiel so ist es auch im Leben. Sobald ein Mensch sich verändert, verändern sich auch seine Beziehungen zu anderen. Das kann Irritationen auslösen, jemanden vielleicht aus dem Gleichgewicht bringen.
Für ein Leben in Balance wirken unsere Beziehungen wie eine Kraftquelle. Carolyn zeigte am sogenannten Fünf-Säulen-Modell, was geschieht, wenn uns die Beziehungen ausgehen. Hier versagen ihrer Meinung nach die klassischen Work-Life-Balance-Modelle, weil sie diesen Zusammenhang unberücksichtigt lassen.
Stell dir das Leben so vor, dass es von fünf Säulen getragen wird:
- Beruf
- Finanzen
- Familie und soziale Beziehungen
- Gesundheit
- Sinn
Wenn eine dieser tragenden Säulen wackelt, dann wird das Leben instabil. Sind mehr Säulen betroffen, gerät das Leben immer mehr aus der Balance. Umgekehrt helfen uns besonders soziale Kontakte, Netzwerke und die Familie durch ihre emotionale Unterstützung. Andere entlasten uns, indem sie Aufgaben übernehmen oder uns Verantwortlichkeiten abnehmen. In einem Netzwerk finden wir neue berufliche Perspektiven. Da verwundert es nicht, dass gute Beziehungen als Resilienzfaktor betrachtet werden.
Wer oder was stört?
Idealerweise stützen uns also die Beziehungen im Leben. Wechselwirkungen bringen jedoch Störungen in die Balance. Wir erleben zum Beispiel Unzufriedenheiten, weil wir Erwartungen und Ansprüche haben, die andere Personen im beruflichen oder privaten Umfeld nicht erfüllen (können/wollen). Zum Beispiel, wenn wir das Gefühl haben, dass uns andere oder unsere Partnerin/unser Partner uns nicht unterstützen.
Was steckt hinter diesen Irritationen? Was befindet sich unter der Oberfläche? Carolyn regte an, genau hinzuschauen, damit wir erkennen können, welche Wechselwirkung geschieht. Sie bezog sich auf das Whiteboard mit den Tierfiguren: Ähnlich komplex ist das Leben und das Miteinander. Konkret wurde es, als sie über in ihrer Beratung oft vorkommende Beispiele sprach: unzuverlässige Personen im Team, nervige Kundschaft und mangelnde Unterstützung in der Partnerschaft. Eines davon: Wenn es in der Paarbeziehung knirscht, kann das ein Zeichen dafür sein, dass sich die Partnerin/der Partner entwickelt. Macht sich eine Person zum Beispiel selbstständig, bringt das enorm viele Veränderungen und Wechselwirkungen im Umfeld mit sich.
Was tun?
Carolyn empfiehlt in solchen Situationen, klar und offen zu kommunizieren. In der beschreibenden Betrachtung liegt oft bereits der Weg zur Lösung. Wenn wir erkennen, was unsere Ansprüche sind, können wir sie formulieren und darüber verhandeln. Im beruflichen Umfeld ist es ratsam, Regeln für ein gutes Miteinander vereinbaren.
Buchtipp: Carolyn Litzbarski, „Beziehung kann ich doch“, 2023
Teil 2: Vielfalt
Scanner… – was?! „Ich bin eine Scannerlady durch und durch!“ So stieg Anita Raidl in den zweiten Teil des Abends ein. Klares Kennzeichen: ein bunter und abwechslungsreicher Lebenslauf. Diese Menschen werden oft als flatterhaft, unbeständig oder ziellos abgestempelt.
Tempo und Vielfalt
Zur ersten Einordnung gab uns Anita den „Apfeltest“ auf: Was lässt sich mit einem Apfel alles machen? Was ist dir eingefallen? Essen?
Falls mehr als das: Hallo Scanner-Persönlichkeit! Wenn dir so viele Assoziationen in den Sinn kommen, dass du kaum mitschreiben kannst, gehörst auch du zu diesen Menschen. Bei Scanner-Persönlichkeiten rasen die Gedanken wie auf Autobahnen. Vielseitige Interessen und Know-how in verschiedensten Themen kennzeichnen sie.
In ihrer Arbeit begegnete die US-amerikanische Karriereberaterin Barbara Sher Persönlichkeiten, die sich mit ihrer Zielfindung schwertaten. Schließlich beschrieb sie diese Gruppe in ihrem Buch „Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast“ als „Scanner“.
Scanner-Persönlichkeiten sind schnell für neue Projekte zu begeistern. Sie haben einen unstillbaren Wissensdurst und erlernen sehr gerne neue Fähigkeiten – daher das Synonym „Vielbegabte“. Sobald sie ein bestimmtes Know-how erlangt haben, tritt rasch Langeweile ein und sie suchen nach neuen Herausforderungen. Bei anderen würde das Stress erzeugen.
Kein einfaches Miteinander
Und schon sind wir wieder beim Beziehungsthema. Denn die Charakterzüge einer Scanner-Persönlichkeit können sowohl im beruflichen als auch privaten Miteinander Konflikte heraufbeschwören. Anita glaubte lange Zeit, dass sie nichts richtig gut könne. So geht es vielen Vielbegabten. In Beruf und Alltag gibt es immer wieder innere Konflikte, wenn eine genaue fachliche Positionierung gefordert ist oder eine Sache nach der anderen angegangen werden soll.
- Scanner haben „zu viele“ Ideen: Überbordende Kreativität kann andere überfordern.
- Scanner wechseln rasch das Interesse: Beharrlichkeit und Dranbleiben fällt schwer, wenn es doch schon wieder etwas Neues, Spannenderes zu entdecken gibt. Das bringt Irritationen bei anderen, die das nicht nachvollziehen können.
- Scanner sind sehr lösungsorientiert: Für Probleme finden Scanner jede Menge Lösungsansätze, auch wenn jemand gerade noch in der Problembeschreibung steckt. Das ist eine weitere Quelle für Irritationen im Miteinander.
Erkenne deine Superkraft
„Was für ein bunter Mosaik-Lebenslauf!“ Wer diese Bewertung in einem Bewerbungsverfahren schon mal vernommen hat: Es ist nicht „dein Fehler“, dass ein Job nach fünf Jahren keine Herausforderung mehr für dich bereithält. An Personalverantwortliche, Headhunter und Management: Statt zu bewerten und abzuwerten, erkennt lieber, was ihr für eine besondere Begabung vor euch habt. Denkt darüber nach, wie die Kandidat:innnen ihre Superkräfte am besten im Unternehmen entfalten können.
Denn Vielbegabung kann Gutes bewirken. In Beziehungen wird sie oft ohne viel Aufhebens „mitgenommen“. Dagegen finden Vielbegabte selten Verständnis für andere Aspekte ihrer Persönlichkeit. Vielleicht hast auch du schon mal einer anderen Person geraten, sich ganz auf eine Sache zu konzentrieren. Doch gerade durch Abwechslung schöpfen Vielbegabte Kraft, um einem Thema überhaupt längere Zeit zu widmen.
Scanner-Persönlichkeiten durchblicken Neues rasch. Mit der ihnen eigenen Begeisterung vermögen sie es durchaus, andere anzustecken. Sie lesen vielleicht nur wenige Bücher tatsächlich bis zum Ende, dafür können sie oftmals passgenaue Empfehlungen geben.
Nutze deine Superkraft im Beruf. Community-Management ist ein ausgezeichneter Arbeitsbereich für Vielbegabte, denn sie haben Gespür für die verschiedensten Menschen und Fragestellungen. Journalismus, Selbstständigkeit, Coaching, Wissenschaft, Training und anderes mehr sind wundervolle Berufsfelder für Scanner.
Setze die Superkraft auch bei Hobby und Ehrenamt ein. Vielleicht hast du einen Job, der dich wenig fordert. Dann unterstütze mit deinem Können und deiner Energie entsprechende Projekte.
„Treffen sich zwei Scanner-Persönlichkeiten in der Firma.“ So beginnt kein Witz, sondern vielleicht eine schwere Zeit im Team. Das muss nicht sein: Anita rät, rasch gemeinsam zu besprechen, wie die beiden sich gegenseitig Raum geben und ihre Arbeitsweise am besten kombinieren.
Bist du eine Scanner-Persönlichkeit? Teste es im Quiz von Anita: https://anita-raidl.at/vip-club-fuer-scanner (per E-Mail bekommst du das Ergebnis).
Wohin mit den Ideen?
Apropos: Anita gab uns drei Tipps mit auf den Weg, die einer Scanner-Persönlichkeit helfen können, ihre Besonderheit gut in Balance zu bringen.
- Think big – Sechs-Jahres-Kalender: Die Ideen und Parallelprojekte sind für ein Jahr zu viel. Wie wäre es mit einem Kalenderzeitraum von sechs Jahren?
- Projektbuch: Nutze ein schönes Projektbuch und notiere die vielen Ideen – große wie kleine. So kannst du Ideen zunächst loslassen und jederzeit wieder aufgreifen und weiterverfolgen.
- Umfeld: Schaffe dir ein Umfeld mit anderen Scannern/Vielbegabten, um Herausforderungen und Tipps teilen zu können.
Die Referentinnen
Carolyn Litzbarski ist Sozialpädagogin und systemische Beraterin. Seit 2021 begleitet sie in ihrer Onlinepraxis Menschen dabei, erfüllende Beziehungen zu führen. Vor allem ihr eigener Weg in die Selbstständigkeit zeigte ihr, dass ein Gründungsprozess die Paarbeziehung herausfordert. Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Anliegen sowie Partnerschaft auf Augenhöhe sind ihre Herzensthemen.
Mehr:
https://litzbarski-coaching.de
https://www.instagram.com/carolyn_litzbarski
Anita Raidl ist seit vier Jahren als Speakerin und Coach für die Themen Online- Sichtbarkeit und Scanner-Persönlichkeit unterwegs. Sie selbst hat die Erfahrung gemacht, wie schwierig es ist, sich als Scanner-Persönlichkeit zu finden und den eigenen Weg zu gehen. Auch sie ist vielfältig interessiert und ständig mit Neuem befasst. So tritt sie in Radio und Fernsehen auf, schreibt Bücher, macht Podcasts, gründete drei Unternehmen und zwei Vereine, die Message on stage Academy, den VIP-Club für Scannerpersönlichkeiten und den Community-Club.
Mehr:
https://anita-raidl.at
https://www.linkedin.com/in/anita-raidl-943612194
https://www.instagram.com/anitaraidl1
Text: Doris Schuppe, doschu.com
Fotos: Mandy Ahlendorf, ahlendorf-communication.com; Doris Schuppe, doschu.com