Nachbericht Prof. Dr. Sarah Diefenbach: Digitale Etikette – die Suche nach neuen Normen für das Miteinander in einer technisierten Welt

Mit ihrem interaktiven Vortrag am 28. Oktober 2020 vermittelte uns super sympathisch, hochwissenschaftlich und gut verständlich Professorin Sarah Diefenbach Wissenswertes zum Thema „Knigge im Netz“. Die Informationen dazu stammten vor allem aus Studien, an denen die Referentin selbst beteiligt war.

Die Quintessenz, die wir an diesem Abend bezüglich digitaler Kommunikation mitnehmen konnten – ob für den privaten oder den Arbeitskontext –, fasse ich hier kurz zusammen.

Schon immer war unser gesellschaftliches Leben bestimmt von Verhaltensregeln, die für den Umgang miteinander gelten. Diese werden geprägt von den aktuellen sozialen Normen. In der Zeit vor der Digitalisierung waren das Dinge wie dem Gegenüber Respekt zu zollen und Pünktlichkeit. Im Bereich der Kommunikation hat das mit ungeteilter Aufmerksamkeit für das Gegenüber oder dem Ausreden-Lassen des Gegenübers zu tun.

Im Zuge der Digitalisierung und angesichts der neuen Technik – hier ganz vorne das Smartphone –, wandeln sich diese Regeln in „traditionelle“ Normen, sie sind quasi veraltet. Denn seitdem wir Handys und Smartphones nutzen, fühlt es sich so an, als müssten wir nicht mehr verbindlich sein. Wir können zu spät kommen, schnell Bescheid geben, dass wir eine andere Uhrzeit besser finden oder uns doch woanders treffen wollen. Im direkten Gespräch ist immer mindestens ein Smartphone dabei – es liegt auf dem Tisch beim familiären Abendessen und bei geschäftlichen Gesprächen. Allein dass das Gerät da ist und daher ständig die Möglichkeit besteht, abgelenkt zu werden, wirkt sich sowohl auf die Gesprächsqualität als auch die Gesprächstiefe auf bedenkliche Weise aus.

Im Beruflichen bringt die Digitalisierung ebenfalls Neuerungen – und auch hier nicht nur Vorteile. Viele der Studienteilnehmer:innen wünschen sich, dass über neue Normen gesprochen wird, hier also eine sogenannte Metakommunikation stattfindet. Wenn mein Chef während eines Zoom-Meetings schnell zum Telefonieren weggeht, darf ich das dann auch? Oder zeigt mir sein Verhalten, dass ich ihm als Mitarbeiter nicht so wichtig bin? Hinzu kommt, dass Mitarbeiter:innen, vor allem Frauen, darunter leiden, ständig beruflich erreichbar sein zu müssen. Auch hier ist Austausch gefragt, die Unternehmen sollten sich mit diesen und ähnlichen Fragen befassen und neue Verhaltensregeln etablieren, zum Beispiel dass keine E-Mails am Wochenende verschickt werden.

Egal ob im privaten oder beruflichen Bereich, der Wunsch nach einer allgemeingültigen digitalen Etikette ist groß. Es geht darum, dass wir unseren Umgang miteinander wieder verbessern und uns darauf besinnen, uns auf unser Gegenüber zu konzentrieren. Und wie fast immer lautet die Devise: Habt Mut zu kommunizieren – in diesem Fall über die Kommunikation.

Die Referentin

Prof. Dr. Sarah Diefenbach ist Professorin für Wirtschaftspsychologie an der LMU München. Seit 2007 beschäftigt sie sich mit der Erforschung des Nutzererlebens, der Gestaltung interaktiver Produkte aus psychologischer Perspektive und der Bedeutung von Erlebnisqualitäten als (wirtschaftlichen) Erfolgsfaktor. Aktuell befasst sie sich mit dem emotionalen Erleben und den Konsequenzen der allgegenwärtigen Technik in unserem Alltag, wie beispielsweise soziale Medien, Fitness-Gadgets oder das Smartphone als ständiger Begleiter. Im Blick stehen hierbei sowohl das subjektive Glück des Einzelnen als auch Veränderungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene hinsichtlich sozialer Normen und der Kommunikationskultur.

Mehr unter:
www.sarah-diefenbach.de

Sabrina hat es wieder getan und ihren Bericht zum Vortrag vertont. Wer nicht dabei war, darf hören!

Text und Audio: Sabrina Zimmermann aka Frau Z., https://frau-z.net
Fotos: Mandy Ahlendorf, www.ahlendorf-communication.com